In einem wunderschönen, großen Park mit vielen Blumen und hohen Bäumen, verschiedenen Kräutern und viel Rasen wohnte auch die Elfenfamilie glücklich und zufrieden. In ihrer Nachbarschaft tummelten sich die Schmetterlinge, Libellen und Bienchen. Ein herrliches Summen und Flattern erfüllte die Lüfte. Besonders in den Sonnenmonaten labten sich alle von den Blüten und freuten sich des Lebens. Bis eines Tages mehr und mehr Käfer, Bienen, ja auch Elfenkinder schwer erkrankten. Niemand hatte eine Ahnung, warum. Doch, wenn alle in den blauen Himmel schauten, wunderten sie sich über komische, breite Kondensstreifen, die wie Kreuze lange zu sehen waren. Das gab es früher nicht. Viele Blumen und Blätter verloren ihren Duft und ihre Pracht, ließen traurig die Köpfe hängen. Was war denn nur passiert?
Auch in der Elfenfamilie war man ratlos. Die Elfeneltern unserer kleinen Heldin, um die es hier auch geht, Alana genannt, und ihre Geschwister, ermahnten die Kinder, vorsichtig zu sein und nicht mehr einfach so von den Blüten zu naschen. Denn sie machten eine ganz furchtbare Entdeckung: Mehr und mehr Bienchen starben und sie trauerten um ihre Freunde. Nicht nur, dass mit dem Himmel etwas nicht stimmte, auch die Sonne versteckte sich mehr und mehr hinter fischgratähnlichen Wolken. Morgens, in aller Frühe, sahen sie die Flugzeuge kommen. Eine große Ratlosigkeit machte sich unter dem Insektenvolk und den Elfen breit. Ihr unbekümmertes Lachen und Herumtollen wurde von Tag zu Tag weniger, weil die herunterfallenden Partikel die kleinen Wesen sehr belasteten. In ihrer Mitte, auf der großen Wiese lebte eine alte, weise Schnecke, Miranda genannt, die ihr prächtiges Haus immer mit sich trug. Sie wusste so vieles. Alana Elfenkind ging eines Tages einfach zu ihr und bevor sie zu sprechen begann, wusste die kluge Schnecke bereits, was sie im Herzen trug. Ja, sie war eben sehr alt und weise.
„Hallo, meine Kleine. Schön, dich zu sehen. Was ist denn los?“, denn die Aufgeregtheit Alanas war kaum zu übersehen. Sie schaute ins Herz der kleinen Elfin und was sie da sah, machte ihr große Freude, denn sie wusste um die große Aufgabe der mutigen Alana. Die kleine Elfe hatte Miranda noch nie persönlich kennengelernt und ihre Worte sprudelten nur so aus ihr hervor. „Ganz langsam, mein Kind. Setz dich doch erst einmal“ und sie wies auf einen kleinen Mooshügel. Alana entspannte sich zusehends. „Sicherlich weißt du“ begann sie „dass viele meiner Bienenfreunde gestorben sind und immer mehr Elfenkinder erkranken. Ich mache mir große Sorgen, ob mit unserem Park und der Sonne, die immer weniger zum Vorschein kommt, irgendetwas nicht stimmt.“ Ganz betroffen senkte sie ihr niedliches Elfenköpfchen und wartete auf eine Antwort. Nach ein paar Minuten des Schweigens vernahm sie die wohlklingende Stimme der alten Schneckendame:
„Mein kleines Elfchen, ich wandle bereits über 100Jahre über diese Erde, zwar sehr gemächlich, doch sehr aufmerksam. Und ich stimme dir zu, dass sich vieles verändert hat, was auch mich sehr nachdenklich macht. Da ich durch meine beiden Fühler, die wie Antennen sind, all die Dinge um uns und in der Welt der Menschen wahrnehmen kann, ist die Besorgnis sogar sehr begründet. Nur, meine Kleine, ich glaube kaum, dass du dagegen etwas ausrichten kannst“ sagte sie und beobachtete aus ihren klugen Augen die Reaktion der kleinen Elfe. „Niemals werde ich einfach alles so hinnehmen. Niemals!“ rief sie laut und leidenschaftlich. Das reichte Miranda, um zu verstehen, dass die kleine Elfe auserkoren war, das Schicksal mitzugestalten. „Du Kleines, was willst du tun? Schau, die Düsen an den Flugzeugen sprühen Unheilvolles auf die Erde, womit es allen schlecht geht und es wird immer dunkler hier auf dem Planeten.“ Und wieder macht sie eine Pause. „Warum nur tun die Menschen das?“ Die kleine Elfe hielt die Händchen ganz bestürzt vor ihr Gesicht und schüttelte ihr blondes Elfenhaar hin und her. Miranda antwortete wohlüberlegt: „Weil es einigen Wenigen um viel Macht und Geld geht. Das ist die böse Seite dieser Welt, in der wir leben.“ „Ach du Elfenkacke!“ rutsche es Alanda so raus. „Was sollen wir nur tun?“ „Wir müssen uns schützen“, antwortete Miranda, die Allwissende und holte ein glitzerndes blaues Fläschchen aus dem Schneckenhaus hervor. „Diese Flüssigkeit ist eine Substanz aus der Natur, die in meiner Familie von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Uraltes Wissen eben. Diese Wundermedizin heilte schlimmste Krankheiten. Nur wenige Tropfen helfen bereits. Doch das Problem der Vergiftung der Erde haben wir damit nicht gelöst. Ich denke, wir sollten alle Lebewesen unseres Parks zusammenholen und beratschlagen, was wir tun können. Morgen Nachmittag wäre gut, denn wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Miranda schien genug gesagt zu haben, denn sie zog ihr Köpfchen in ihr Haus zurück und Alana machte sich gedankenversunken auf den Heimweg.
Immer noch waren die dicken Streifen am Himmel, doch sie schaute auf das Fläschchen in ihren Händen und schöpfte Mut. Wir müssen uns wehren. Dieser Gedanke, verbunden mit einem Gefühl, das immer stärker in ihrer kleinen Elfenbrust wurde, trug sie bis nach Hause. Die Eltern hatten sie vermisst und waren sehr froh, als sie ihr Kind begrüßten. „Da bist du ja endlich. Wo warst du denn?“ Und Alana erzählte von der Begegnung mit der weisen, alten Schnecke und irgendwie waren alle in der Familie ganz still und bekümmert. Doch dann zeigte die kleine Elfe ihnen das blaue Fläschchen mit der wertvollen Flüssigkeit. Die Elfenmutter empfahl, es doch sofort in der Nachbarschaft bei den erkrankten Bienenkindern auszuprobieren. Gesagt, getan. Und siehe da, was für eine Freude. Bereits ein paar Stunden später ging es ihnen sichtlich besser. Alle erfuhren von dem Wundermittel Mirandas und natürlich auch von der morgigen Zusammenkunft. Libellen, Schmetterlinge, selbst die Marinkäferchen waren ganz aus dem Häuschen und sahen der Besprechung auf der Mooswiese unter der großen Eiche voller Spannung entgegen. So ein aufgeregtes, buntes Treiben hatte man lange nicht im friedlichen Miteinander im Park erlebt.
Am nächsten Tag schwirrte, keuchte und fleuchte alles in Richtung Mooswiese. Miranda, die weise Schnecke, erwartete all bereits und erhob majestätisch ihr Haupt, die Fühler hochaufgerichtet. „Lang, lang ists her, dass wir so viele miteinander waren. Doch die Zeiten erfordern es. Wir müssen etwas tun, auch für die, die nach uns kommen. Ich weiß von den Plänen der Bösen, Mächtigen dieser Erde. Viele der Menschen selbst erahnen die Dimensionen nicht, was sie da mit uns allen vorhaben. Manipulation, Täuschung und Ablenkung haben sie einschlummern lassen. Was können wir tun, um das Schlimme zu verhindern? Können wir überhaupt etwas tun?“
Ein Wispern, Tuscheln und Gemurmel ertönte. „Bitte, wer möchte sich dazu äußern?“ fragte Miranda in die Runde. Eine drollige Hummel, namens Polli, räusperte sich: „Nun ja, was mir so aufgefallen ist, dass so ein komischer, feiner Metallgeschmack beim Nektarnaschen zurückbleibt und ich selbst immer müde bin. Das war früher nicht so. Irgendetwas stimmt nicht. Und was sie da auf die Ackerböden kippen gefällt mir ganz und gar nicht! Sogenannte Pestizide, sehr giftig. Herrjemineh, das tut schon weh!“ „Aber warum machen die Menschen das denn? Haben sie denn einen Nutzen davon, wenn es uns allen schlechtgeht?“ ertönt es aus allen Ecken ganz aufgeregt. Miranda schaut ernst in die Runde, bevor sie sehr langsam und wohlüberlegt sprach: „Meine Lieben alle miteinander, es ist eine Zeit angebrochen, in der das Böse sich sichtlich offenbart. Sie, diese selbsternannte Elite, will diesen Planeten sich untertan machen, mit all der Schöpfung, der Vielfalt. Auch wir gehören dazu und werden bedroht. Es ist sehr ernst und wir müssen handeln.“ Sie machte eine lange Pause und mucksmäuschenstill war es, so groß war die Aufmerksamkeit. „Aber wie, was können wir tun?“ erscholl ein lauter Ruf aus der Ecke der Bienenvölker, deren Königin ganz besorgt dreinblickte. „Wir schaffen es nur, wenn wir uns verbünden. Mit anderen Tieren, den Baumgeistern und natürlich mit wachen Menschenkindern. Die auch gewillt sind, die Artenvielfalt auf Mutter Erde zu verteidigen. Ich schlage vor, dass wir Gruppen bilden, die verschiedene Aufgaben übernehmen. Wichtig ist, dass wir alle fest zusammenhalten, denn die böse Seite ist sehr mächtig. Doch wir sind so viele und werden den geplanten Untergang nicht hinnehmen.“ Lautes Beifallklatschen und Zustimmung war zu vernehmen. Doch auf einmal erscholl eine tiefe, machtvolle Stimme. Die uralte Eiche, in dem der Baumgeist Knox Morrox lebt, sprach:
„Ich bin 1.000Jahre alt und kann euch viele Geschichten von unserem blauen Planeten und seinen Bewohnern erzählen. Ja, es ist eine sehr bedeutende Zeit, jetzt gerade. Und ich weiß, dass das Gute siegen wird. Habt Mut, seid stark, erhebt euch. Denn es geht um alles.“ Weit reichten seine Äste in den Himmel und Scharen von Vögeln vernahmen die Worte und bewegten sie in ihrem Herzen. Sie waren die Verkünder der Botschaft der Befreiung und trugen sie mit sich fort. Etwas Großartiges war am Entstehen. Jeder fühlte es. Die Luft vibrierte von diesem universellen Geist der Liebe zur Natur, zur kosmischen Ordnung, die so aus den Fugen geraten war. Einige Wenige schauten ängstlich drein, doch alle wussten es, dass sie etwas tun mussten, um die Dinge zu verändern.
Alana, das kleine Elfenmädchen, trat vor die alte, ehrwürdige Schnecke und schaute in viele Augenpaare der Käfer, Bienen, Schmetterlinge, selbst die kleinen Mäuse und Maulwürfe warteten gespannt, was sie sagen würde.
„Auch wenn ich nur ein kleines Elfenmädchen bin, werde ich nicht zulassen, dass alles, was wir lieben, zerstört wird. Ich werde alles, wirklich alles tun, um uns und die Erde zu schützen. Das verspreche ich hier vor euch allen.“ Und sie verneigte sich vor Miranda und ihrer Familie, die ganz gerührt war.
Was für ein kraftvolles, überzeugendes Elfenkind sie doch war und eine Mutmacherin für viele. Die Ängstlichen schauten auf und auch sie hatten auf einmal einen anderen Ausdruck, ja eine ganz andere Körperhaltung, die ihrer Sehnsucht nach Harmonie und Ordnung in der Welt entsprach. Ein Ruck ging durch das Parkvölkchen, denn sie spürten, dass es um so vieles ging. Dieser großen Aufgabe galt ihre ganze Aufmerksamkeit, denn es ging um Alles oder Nichts.
Etwas dazwischen gab es nicht mehr.
02. Januar 2014
Birgit Doll